Personen: Tara Doyle, Raphael Hastings
Datum: 14.08.2022
Uhrzeit: 18:00
Ort: Bibliothek
Ist die Handlung Teil des normalen Inplays?: Ja

Tara hätte sich nicht Träumen lassen, dass der Wechsel an eine andere Schule so schwierig war. Wenn dieser scheiß Angriff auf Oxford nicht gewesen wäre, wäre Tara froh gewesen, doch schon früher als erwartet an die Schule gekommen zu sein. Wenigstens war ihrer Mutter nichts passiert. Allerdings hatte sie Angst gehabt. Scheiß riesenangst. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie an die Zeit zwischen der Bekanntmachung des Angriffs und einer Meldung ihrer Mutter dachte. Nein. Halt! Hier und jetzt war keine Zeit zum weinen. Tara war hier her gekommen, weil es ruhig war, und weil sie lernen musste.
Obwohl sie mit der englischen Sprache aufgewachsen war, tat sie sich schwer. Die Texte waren verständlich, doch trotzdem musste sie immer wieder ein Wörterbuch herausholen und einzelne Wörter nachschlagen, die sie einfach beim besten Willen nicht verstand. Und dann war der Stoff auch noch anderer, als der, den sie gelernt hatte. Tara legte den Kopf in den Nacken und seufzte. Angesichts des Bücherstapels, der vor ihr lag, hatte sie noch die restlichen Ferien Zeit, sich das Gehirn vollzuschlagen.

Sein Herz schlug etwas schneller als sonst. Er zwang sich schon, ruhiger zu atmen. Er wollte nicht in Panik verfallen. Davon gab es dieser Tage schon genug. So viel Angst war im Schloss, so schlechte Stimmung lag in der Luft. Raphael konnte all diese Gefühle beinahe spüren. Er roch sie. Sie stachen ihm in der Nase, ließen seinen Kopf dröhnen... Da waren so viele fremde Gerüche, dadurch, dass das Ministerium und das Krankenhaus sich in Hogwarts eingenistet hatten. Zu viele Menschen...
Er hatte Ruhe gesucht. Seinen Lieblingsort im Schloss hatte er mit gemischten Gefühlen betreten – was wenn es hier auch so voll und laut war? Doch nein. Es war ruhig und still. Die perfekte Atmosphäre, um zu lernen.
Etwas anderes als Lärm lenkte ihn ab. Ein Mädchen mit kirschroten Haaren. Er starrte sie nun schon an, seit er sich mit seinen Büchern an einen leeren Tisch gesetzt hatte. Gerade mal das erste hatte er aufgeschlagen, sah aber nicht die Buchstaben an, sondern beobachtete das fremde Mädchen. Ihr Gesicht und ihr Geruch waren ihm nicht bekannt. Und er konnte einfach nicht aufhören, sie anzustarren. Er kam sich schmutzig dabei vor. Wollte gern den Blick abwenden und endlich sein Buch lesen. Raphael konnte einfach nicht. Sein Kopf arbeitete so, wie er es bisher nicht gemacht hatte. Ihm vielen hunderte Sprüche ein, die er sagen konnte, um sie anzusprechen. Wie doof das einfach war...

Okay, egal wie sehr ihr dummer Kopf schon rauchte vor lauter Buchstaben gelesen, sie musste weitermachen. Sie hatte ihrer Mutter immerhin versprochen, in diesem Jahr gut zu sein. Okay, also Augen zu und durch. Sie senkte ihren Kopf wieder hinunter auf das Buch, das sie gerade zu lesen versuchte, wobei ihr Blick eine andere Person streifte, die mit ihr hier in der Bibliothek saß. Ihr Blick wanderte weiter nach unten, betrachtete das Bild der Auswirkung irgendeines Trankes. Und dann hob sie den Kopf wieder. Da saß tatsächlich jemand in der Bibliothek? Bei dem Wetter?
Sie wischte sich das rote Pony aus dem Gesicht und blickte sich suchend um.
Tatsächlich. Dort saß jemand. Ein Junge, den sie noch nie gesehen hatte. Aber das hieß nichts. Immerhin war sie seit wie vielen Tagen erst an der Schule? Tara hatte vor lauter Büchern keinen Überblick mehr darüber, wie viel Zeit vergangen war. Sie wischte sich über die müden Augen und lächelte den Jungen an. Sie hatte eh keine Lust mehr zu lernen. „Konochiwa. Ich habe gar nicht gesehen, dass ich nicht alleine bin.“ Hatte er überhaupt Lust sich zu unterhalten? Wenn dem so wäre, dann hätte er sie doch sicherlich angesprochen, oder?

Das Mädchen blickte auf. Raphael zuckte leicht zusammen und sein Blick huschte schnell zurück zu seinem Buch. So einfach war das also, seinen Blick von der Rothaarigen abzuwenden? Warum hatte das denn nicht schon vorher geklappt. Sie hatte ihn bestimmt bemerkt. Gemerkt, dass er sie anstarrte. Innerlich fluchte der sonst so ruhige Ravenclaw und fragte sich, was mit ihm nicht stimmte, dass er sich so doof verhielt und nicht einfach das weite suchte so wie sonst, wenn er nicht allein lernen konnte.
Ihre Stimme ließ ihn wieder aufblicken.
Sie lächelte und sprach. Zu ihm? Er sah sich kurz um. Niemand sonst war da. Sie musste wirklich ihn meinen. Seine Hände wurden schweißig und ihm wurde warm. Wie ein Fisch blinzelte er und wie ein Fisch blieb er einen Moment lang stumm. „Nein, ich war auch hier.“ Eine Glanzleistung. Platz eins der zehn dümmsten Antworten, die man geben konnte. Und jetzt starrte er schon wieder. Raphael zwang sich dazu, abermals den Mund aufzumachen und krächzte ein unbeholfenes „Wie heißt du“ hervor.

Hatte er sie überhaupt angesehen? Mit einem Mal war Tara sich nicht mehr so sicher. Und was war, wennn sie ihn jetzt total vom lernen ablenkte? Aber es war zu spät, ihre Begrüßung war schon raus und sie fühlte die röte in ihre Wangen steigen. Hier war alles so unglaublich schrecklich kompliziert. In Japan hätte sie genau gewusst, wie sie sich zu verhalten hätte. Da kannte sie die Leute und konnte einschätzen, wie diese tickten. Hier war das anders. Hier fühlte sie sich auf einmal fehl am Platz. Ein absolut falsches Punmelchen am falschen Ort. Wenn sie wenigstens die Haare nicht so unglaublich auffällig gefärbt hätte!
Da. Er blickte auf und sah sich im Raum um. Am liebsten hätte sie schnell die Nase wieder in ihr Buch gesteckt, aber sie hatte ihn doch angesprochen und gestört. Also konnte sie wenigstens so freundlich sein, und ihm signalisieren, dass sie an einem Gespräch interessiert war. „Oh....okay.“
Seine Antwort hatte nicht geklungen, als würde er noch unheimlich viel mit ihr reden wollen. Sie hatte ihn also doch gestört. Schnell senkte Tara wieder den Blick und starrte auf ihr Buch hinab. Peinlich. Doch gerade als sie versuchte sich wieder auf die Buchstaben zu konzentrieren, erklang seine Stimme wieder. Schnell flackerte ihr Blick wieder nach oben.
Immer nett bleiben und lächeln, musste sie sich selbst ermahnen. Sie war nur nervös, das war alles. „Tara Doyle.“ Zu Hause wäre sie jetzt aufgestanden und hätte sich ein wenig verbeugt, aber sie hatte schon festgestellt, das dies hier in England nicht für Freudentaumel sorgte. Dennoch konnte sie sich selbst nicht daran hindern, ihm respektvoll zuzunicken, wenn auch im sitzen. „Und wer bist du, wenn ich fragen darf?“ Inzwischen wusste sie selbst, dass sie mit Akzent sprach, das hatte sie zwischen all den Engländern bereits heraushören können. Aber dafür konnte sie nichts!

Mädchen. Mit Mädchen konnte er einfach nicht. Sie waren so anders als Jungs. Und mit denen kam er auch nicht zurecht. Jungs waren aber mehr gerade heraus. Mädchen waren verschlagener. Er hatte nie eine Ahnung, woran er war.
Die Rothaarige verwirrte ihn auch. Erst lächelte sie ihn an und sprach zu ihm und dann sah sie wieder auf ihr Buch. Raphael wollte auch auf sein Buch sehen und einfach entspannt lesen und lernen. Er hatte seine Hausaufgaben für die Ferien schon gemacht aber es gab noch einiges, das er lesen wollte ehe das neue Schuljahr beging. Er hatte nur noch zwei Wochen Zeit und die meiste Zeit seit er hier war hatte er starke Kopfschmerzen und einfach keine Motivation.
Sie sah wieder auf und nannte ihren Namen, während Raphael einfach weiter zu ihr herüber blickte. Er fühlte sich gefangen. Hypnotisiert. Völlig ohne Grund. Die Frage drang langsam in sein Gehirn und er stellte fest, dass sie einen Sprachfehler hatte. Oder einen Akzent. Sie klang jedenfalls seltsam als sie sprach. Irgendwie niedlich. Raphael fühlte seine Wangen warm werden und senkte schnell den Blick auf sein Buch. Er hatte lange genug gestarrt. Vermutlich hielt sie ihn wegen seiner Augen auch schon für einen Freak so wie die meisten anderen auch. Raphael wünschte sich irgendwie Mats herbei. In der Gegenwart des Hufflepuffs fühlte er sich nicht wie eine Nacktschnecke. „Mein Name ist Raphael. Hastings... Äh... Raphael Hastings. Das bin ich.“ Konnte er noch tiefer sinken? Er schloss die Augen und klammerte seine Finger unter dem Tisch in die Hose, die seine Knie bedeckte. „Ich gehe in den sechsten Jahrgang in Ravenclaw, freut mich dich kennen zu lernen, ich hab dich noch nie gesehen, in welchem Haus bist du, bist du neu...“ Scheiße. Raphael seufzte leise und hauchte ein fast nicht zu hörendes „'tschuldigung.“

Eigentlich hatte Tara gar nicht mitbekommen, dass sie die Beine überschlagen hatte. Erst jetzt, als sich ihr Unterschenkel meldete, wurde es ihr klar. Nervös wechselte sie einfach de Beine, jedoch nicht ohne davor ihr Hotpants etwas nach unten zu zupfen. Herrje, er konnte wohl eh nicht unter den Tisch gucken, aber irgendwie war es Tara unangenehm, dass sie sich für so freizügige Klamotten entschieden hatte. Hotpants, ein weißes Top und die Haare nur grob von einer Haarschleife gehalten. Und natürlich ein bisschen Schmuck. Nichts übermäßig auffälliges, wie sie fand. Daheim wäre sie nur wegen ihrer Haare aufgefallen, aber irgendwie hatte sie hier das Gefühl, wegen ALLEM aufzufallen. Und das, obwohl ihre Gene doch Europäisch waren! Wahrscheinlich starrte der Junge sie deshalb so an. Sie sollte es eigentlich gewöhnt sein.
Dennoch, wieso war er so nervös? Hatte sie irgendetwas im Gesicht und er traute sich nicht, es ihr mitzuteilen? „Freut mich, dich kennenzulernen, Raphael-kun.“, antwortete sie ihm brav und hoffte, sie machte sich nicht allzu sehr lächerlich mit ihrer Aussprache und den Höflichkeitsformeln. Aber Alte Gewohnheiten.... „Ja? Wirklich?“ Mit einem Mal strahlte Tara auf. Sie hatte zwar schon die eine oder andere Bekanntschaft im Haus und der Schule gemacht, dennoch war ihr bisher niemand begegnet, der mit ihr in eine Klasse UND ins selbe Haus ging. „Ich bin … auch eine … Ravenclaw.“ Schrecklich kompliziert, dieses Wort! „Und im sechsten Jahr! Ja, ich bin neu an der Schule und habe jetzt schon das Gefühl in eurem Lernstoff zu versinken. Das ist total peinlich, oder?“ Sie deutete auf die Bücher, die sie vor sich auf dem Tisch lagen. „Das sind … alles Sachen, von denen ich bisher nur am Rande gehört habe, die ihr aber in den letzten Jahren gemacht habt. Ich glaub in zwei Wochen werde ich einfach feststellen müssen, dass ich lieber doch nicht an diese Schule gehöre.“ Oh man, jetzt übertrieb sie aber gehörig. Aber irgendwie musste das mal los, und sie konnte solche Probleme einfach nicht mit Rhea besprechen.

Seine verschwitzen Hände klammerten sich weiter an die Hose und er wünschte sich, dass er apparieren konnte. Einfach verschwinden. Unsichtbar werden. Sofort in den Gemeinschaftsraum und unter seine Bettdecke. Leider ging das in Hogwarts nicht. Leider konnte er das ohnehin nicht.
Er fühlte sich auf seinem Stuhl festgeklebt und hilflos. Sein Blick fraß sich in die Seiten des Buches vor ihm, während sie auf sein wildes Gestammel antworte.
Immerhin antwortete sie und lachte ihn nicht aus. Etwas mutiger hob er den Blick und schaute auf ihren Tisch. Sie wieder direkt anzusehen traute er sich dann doch nicht.
Raphael-kun? Er blinzelte. War ihr Akzent japanisch? Er kannte sich damit nicht so wirklich aus, hatte ihn nur mal im Fernsehen gehört.
Tara war also eine neue Schülerin und auch noch in seiner Klasse? Und seinem Haus? Er schluckte. Wenn er sie weiter so anstarrte, dann würde das ein sehr verwirrendes Schuljahr werden. Er schielte zu ihr und sah ihr strahlendes Gesicht. Sofort wurde ihm wieder warm und er sah, sich leise räuspernd, wieder auf seine Bücher. Ein Teil seines Gehirns kam auf die total tolle Idee, den nächsten Satz zu sagen. „Wenn du Hilfe brauchst... Ich könnte dir ein paar Sachen erklären.“ Leicht geschockt über seinen Vorschlag hob er wieder den Blick und starrte sie an. „Also.. in den Fächern, die wir zusammen haben... Was hast du denn gewählt?“

Sie war sich noch nicht sicher, ob es Glück war, dass sie fühlte. Auf jeden Fall flatterte ihr Herz wie verrückt. Ein Klassenkamerad aus ihrer Klassenstufe! Und er schien nicht einmal sonderlich unfreundlich zu sein. Nein, eher..schüchtern. Wie immer, wenn sie nervös war, begann Tara damit an ihrem Lippenpiercing zu knabbern. „Das würdest du tun?!“ Ups, da überschlug sich doch glatt ihre Stimme. Und Raphael schien irgendwie... sie nicht wirklich anschauen zu wollen. Wahrscheinlich, weil sie sich zu sehr freute.
Tara senkte den Blick und sah auf ihr Buch hinunter. Okay, ganz ruhig. Sie wollte ihn nicht erschrecken. Einmal kurz durchatmen und sammeln. „Ich... ich habe...“ Oh, das war eine gute Frage. „Warte...“ Hilflos sah sie hinunter auf ihren Tisch. Voller Bücher. Oh. Irgendwo hate sie sich das doch aufgeschrieben. Herrje. „Warte.. ich muss hier irgendwo..“ Und schon hatte sie sich in ihrem kreativem Chaos vergraben. Dieser Zettel dort? Nein. Da? Auch nicht. Sie grub sich weiter zwischen die Bücher und … nein, auch dort nicht. Neinneinnein. „Oh,, ist mir das peinlich...“, murmelte sie, während sie ein Buch nach dem anderen aufklappte. Leise fluchte sie auf japanisch und da.. „Hah!“ Sie kam sich vor wie der beste Höhlenforscher der Welt! „Aaaalso...“, machte sie, während sie den Zettel glatt strich, den sie in ihr Mäppchen gestopft hatte. „Ich habe .. etto...Wahrsagen, Verwandlungen, Zauberkunst, Verteidigung gegen die dunklen Künste, Zaubertränke, Kräuterkunde und … ach nein, das war es.“

Sie war... niedlich. Raphael starrte sie ja jetzt schon eine ganze Weile an und er durfte sich ein Urteil machen. Sie einfach so... anders. Kein Mädchen hier war so bunt wie sie. Ihre Haare fielen so schön aus der Norm. Sie erinnerten ihn an Wassereis. Das, was man aus der engen Plastikfolie herausschob und was so lustig nach Kirsch schmeckte. Dann hatte sie noch ein Piercing. Und sie war nicht mager. Er mochte das. Sie sah nach Lebensfreude aus. Nach Spaß.
Sie begann, sich durch ihre Bücher und ihre Zettel zu wühlen. Ein ganz privates Chaos. Seine Lippen zuckten und er lächelte leicht. Ihre Fächerkombination klang gut. Zumindest, wenn er ihr etwas beibringen wollte. „Ich habe Wahrsage nicht.“ Humbug war das. „Ansonsten könnte ich dir vielleicht... helfen, wenn du magst?“ Und sie dabei weiter anstarren? Wie sollte er sich denn konzentrieren, wenn sie so niedlich aussah. Raphael sah auf sein eigenes Buch, von dem er noch nichts gelesen hatte. „Wo hast du denn die größten Probleme?“

Diese Schule war der Horror. Nicht nur der Stundenplan war vollkommen anders, als sie ihn gewohnt war, die AGs irgendwie anders und vom Stoff wollte sie gar nicht erst anfangen. Nein, es war auch noch dunkel und drückend, es war kalt und aus Stein und es... schien irgendwie zu leben. Noch nie hatte Tara eine Art Haus – oder größer – gesehen, bei dem die Treppen einfach die Richtung wechselten. Oder Stufen verschwanden. Oder Türen an andere orte führten, als sie es gewohnt war. Vollkommen kaputt, dieses Schloss. Und dennoch... irgendwie mochte sie es. Wenn es nicht so voll wäre. All diese Flüchtlinge, von denen einige wussten, wo es lang ging, die einem halfen und die meisten anderen ebenso orientierungslos waren, wie sie.
„Hätte ich auch nicht vermutet.“ Tara lächelte verlegen, „Ich... habe das Gefühl, das Fach ist hier nicht so... wie sagt man... populär wie in meiner alten Schule.“ Sie kannte zumindest kaum Schüler an der alten Schule, die nicht zum Wahrsagen-Unterricht gegangen waren. „Aber wenn du mir helfen könntest, dann wäre das natürlich echt super. Du bist total nett, Raphael-kun.“ Sie schlug das Buch zu, dass sie vor sich liegen gehabt hatte. Wahrsagen! Das konnte sie wenigstens halbwegs. Und wenn er ihr nicht helfen konnte, dann würde das jetzt nichts bringen. „Probleme würde ich nicht sagen. Eher... Differenzen. Vor allem in Kräuterkunde“ Sie sah zu ihm hinüber. Verdammt, er war ja auch in der Bibliothek und hatte bestimmt etwas lesen wollen. „Aber halte ich dich denn nicht von deinem eigenen Lernen ab? Das möchte ich nicht.“ Nur, weil sie zu doof zum lesen war, hieß das nicht, dass er seine Freizeit für sie opfern musste.

Der Hut hatte sie nach Ravenclaw gesteckt. Auch wenn man sich nicht immer auf die Eigenschaften der Häuser verlassen konnte, ein Fünkchen Wahrheit steckte immer darin. Der Hut traf keine falschen Entscheidungen. Das rothaarige Mädchen musste also etwas im Köpfchen haben. Ansonsten wäre sie kaum im Haus der Denker gelandet.
Im Prinzip war Raphael für Nachhilfe gut geeignet. Er hatte die Nase immer in einem Buch. Er lernte fast jeden Tag. Wenn man außer Mats keine Freunde hatte, dann hatte man sehr viel freie Zeit. Sein Kopf war gefüllt mit Wissen, das er gut weitergeben konnte. Aber – einem Mädchen? Einem <i>niedlichen</i> Mädchen? Was für eine Schnapsidee.
Wahrsagen war an ihrer Schule beliebt? Raphael machte große Augen. „Es gab lange Zeit wirklich... stümperhafte Lehrer. Das Fach hat keinen Spaß gemacht.“ Es war auch einfach ein dummes Fach. Es gab keine Gewissheit darin. Man riet einfach lustig ins Blaue hinein, was die Zukunft einem Wohl sagen konnte.
Sie fand ihn nett? In seiner Brust wurde es warm und er musste unweigerlich an das Silvesterfest mit Mats denken. Er hatte etwas ähnliches gefühlt. Durch Alkohol und durch den Kuss. Blinzelnd versuchte er, sich wieder zu konzentrieren und sah dann auf seine Bücher. „Ähm“, meinte er leise und schlug dann demonstrativ sein Buch zu. „Ich brauch nicht lernen, ich kann schon alles.“ Das wurde ja immer besser. Leicht panisch blickte er zu Tara und schüttelte den Kopf. „Ich meine, ich habe schon... Du... Also, du störst nicht. Wir können gern Kräuterkunde machen oder so... Oder ich kann dir das Schloss zeigen. Oder...“ Himmel, was war denn nur los mit ihm? Er fühlte, dass er sie beeindrucken wollte. Wieso das denn?

Ursprünglich hatte Tara sich eine Version der Geschichte von Hogwarts gekauft, als sie beschlossen hatte hinter Rhea herzuziehen. Sie hatte sich über die Schule informieren wollen und erfahren, wie sie gewachsen war. All so etwas halt. Sie war nur dazu gekommen ein paar Seiten zu lesen. In Japan hatten die ZAGs angestanden, und kaum in England hatte dieser verdammte Krieg angefangen. Und tada, nun saß sie hier, war einem Haus zugeteilt, von dem sie nur wusste, dass sie diesem nervigen Vogel am Eingang zum Gemeinschaftsraum fragen beantworten musste und ansonsten... nichts. Für dieses Nichts fühlte sie sich wirklich ein wenig schlecht. Aber sie konnte nichts dagegen unternehmen. Nicht mit all dem Schulstoff, der noch nachzuholen war.
„Wirklich? Hattest du das Fach auch?“, fragte sie neugierig, „Mir hat es bisher immer Spaß gemacht. Es ist nicht so...deutlich wie andere Fächer, wenn du verstehst was ich meine.“ Wahrsagen war ein einziger großer Nebel und in der Zaubererwelt bestimmt nicht weniger esoterisch als in der Muggelwelt. Dennoch... irgendwie machte es Spaß.
Dennoch hatte sie ein schlechtes Gewissen, als er sein Buch demonstrativ zuschlug. Anscheinend schien er ihr wirklich helfen zu wollen! Etwas besseres hätte ihr doch nie im Leben passieren können. Und das, obwohl er unheimlich nervös wirkte. Zumindest fiel er sich selbst beim reden ins Wort. Niedlich.
„Okay, aber wenn ich dich störe, dann sagst du bescheid, ja?“, sie lächelte den Jungen an und sah dann auf den Bücherberg vor sich. „Das Schloss zeigen klingt fantastisch! Ich finde mich absolut nicht zurecht und.. ich wüsste nicht, was ich wo machen könnte und... ich hab genug von den Büchern gerade.“ Schon war sie dabei ihre Papiere, Füller und das Tintenfass in ihre Handtasche zu räumen. Und vielleicht ein Buch. Zwei? Der Rest konnte hier bleiben.

Wahrsagen... Es war nicht umsonst sein Hassfach geworden. Raphael war jemand, der gern lernte. Es machte ihm großen Spaß, sich neues Wissen anzueignen. Wahrsagen war ein Fach, für das man nicht lernen konnte. Es war so schwammig. Und vage. Und einfach wirklich ganz und gar langweilig. Er wollte Fächer, in denen er etwas Greifbares für seine Zukunft erlernen konnte.
„Ich hab ab der dritten Klasse Wahrsagen gehabt. Und dann sofort wieder abgewählt, als ich es konnte.“ Verlegen sah er auf sein Buch, holte langsam die Hände unter dem Tisch hervor, und verschränkte die Finger auf seinem Buch. „Ich mochte es nicht, dass es nicht deutlich ist. Ich mag klare Linien. Kanten.“ Er wusste nicht, ob sie ihn verstand und zuckte deshalb leicht mit den Schultern.
Tara schien von seinem Gestammel beinahe begeistert und begann sogleich damit, ihre Sachen in die Tasche zu räumen. Panik machte sich in ihm breit. Er sollte ihr wirklich das Schloss zeigen? Was, wenn er sich verlief? Oder hinfiel? Oder es plötzlich Vollmond wurde? Okay, jetzt fing er definitiv an zu spinnen. Langsam kramte auch er seine Sachen zusammen. Das Buch verschwand in seiner Tasche und mit klopfendem Herzen stand er auf. Er trat zu ihrem Tisch und sah sie an. Seine Hände schwitzten, seine Knie waren aus Gummi und er fühlte sich ziemlich schleimig und ekelhaft. War das normal? Er musste sich beherrschen, um nicht vom einen auf das andere Bein zu hüpfen.
„Was hast du denn noch nicht gesehen? Oder willst du sehen? Ähm... Also, wenn du was sehen willst, gehen wir da zuerst hin.“

Unsicher betrachtete sie ihren neuen und bisher einzigen Freund an der Schule. Ja, gut, am Ankunftstag hatte einer dieser Zwillinge ihr den Weg durch das Schloss gezeigt, aber seitdem hatte sie keinen von beiden mehr gesehen. Aber das könnte unter anderem auch daran liegen, dass sie sich sehr in diese Bibliothek zurückgezogen hatte. Dennoch war sie sich nicht sicher, was sie von seiner Aussage zum Thema Wahrsagen halten sollte. Aber ja, er hatte recht. Wahrsagen war kein Fach mit Linien und Kanten. Es war wabbelig und unsicher, hatte Schlieren und all so etwas. Nebel. Nebel war perfekt.
„Ich glaube, ich weiß, was du meinst.“, lächelte sie ihn an und zupfte sich eine rote Strähne aus der Frisur, um sie um ihren Zeigefinger zu zwirbeln. „Ich empfinde... oder empfand, ich weiß ja nicht, wie das hier ist, es als spannend, mal etwas komplett Anderes zu machen. Das hat den Kopf immer ein bisschen erleichtert. Aber ich werde ja sehen, wie das Fach hier sein wird.“
Inzwischen war Tara fertig damit ihre Tasche zu packen. Sie hatte sich für zwei Bücher entschieden und zückte nun ihren Kirschholzstab. Ein kurzer Schlenker aus dem Handgelenk heraus in Richtung des Übrigen Buchstapels, und brav erhoben sie sich alle in die Luft und zogen ihre Bahnen zurück in die Regale, aus denen Tara sie zuvor gezogen hatte. Aufräumen konnte SO einfach sein. Sie stand nun ebenfalls auf, schulterte ihre Handtasche und trat an den Jungen heran. „Ich habe... bisher nur die Bibliothek, dieses komische Ankunftszimmer, die Ravenclaw-Räume und diese riesige Halle ohne Dach gesehen.“, gab sie zu und zuckte unsicher mit den Schultern. „Aber ich weiß auch nicht, was das Schloss sonst so zu bieten hat. Wenn dir was gutes einfällt, kannst du mich gerne da hin bringen. Oder wenn du mir zeigen kannst, wie man sich hier nicht ständig verläuft.“