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Der Zentaur trabte durch sein Klassenzimmer, musterte die Illusion eines Waldes bei Nacht interessiert. McGonagall hatte es auf seine Bitte hin so hergerichtet. Mit kräftigen Schritten bewegte er sich zum Kopfende des Raumes hinüber und wartete gespannt auf seine Schüler. Mal sehen, ob die Menschenwesen, die in diesem Jahr seine Schüler sein würden, noch immer so einfältig sein würden. Und ob sie sich allmählich an den Anblick eines halbnackten Lehrers gewöhnt hatten.

cf: Zeitsprung

Hope hatte Wahrsagen hauptsächlich belegt, um ihre Eltern zu ärgern. Es war das wohl sinnloseste Fach auf dem Wahlplan und sie hatte ernsthaft darüber nachgedacht, doch lieber Arithmantik zu belegen. Aber Hope hasste Zahlen und soviel hatte sie nun auch nicht mit Tieren am Hut, dass sie sie wöchentlich pflegen musste, also hatte sie sich für Wahrsagen entschieden. Alte Runen wäre auch noch eine Alternative gewesen, aber eine gute Note schien hier leichteer verdient und wem brachte es schon etwas, wenn sie veraltete Texte lesen konnte?
Nein, die entsetzten Gesichter ihrer Eltern waren es wert gewesen. Und in diesem Jahr war es auch der Anblick des Lehrers wert. Natürlich hätte Hope nie ernsthaft für einen Zentauren geschwärmt, aber hey, einen netten Anblick bot der Oberkörper ihres neuen Lehrers schon. Wer sonst wäre auch halbnackt ins Klassenzimmer marschiert? Hope betrat den magisch veränderten Klassenraum und schaute sich kurz um. Wald. Nacht. Würden sie sich etwa mit Sternenkunde beschäftigen? Hope zuckte mit den Schultern und ging dann mit einem fröhlichen Lächeln in Richtung des Lehrers. "Einen wunderschönen guten Tag, Professor!"

cf: Zeitsprung

Thyr grinste schon, als er in der Tür des Klassenzimmers stand. Er hatte Wahrsagen vor allem gewählt, weil er dort nicht mit seinem Zauberstab herumfuchteln musste, aber jetzt gehörte es aus ganz anderen Gründen zu seinen Lieblingsfächern. Für ihren Lehrer war extra ein Wald in einen Raum im Erdgeschoss gezaubert worden und als Fee fühlte er sich darin natürlich pudelwohl. Auch, dass ein Zentaur unterrichtete, machte ihm nichts aus. Sie waren zwar nicht gerade beste Freunde, aber Feen und Zentauren krümmten sich normalerweise gegenseitig kein Haar. Für Feen wäre das vermutlich auch schwer gewesen. Der Feenjunge nickte seinem Professor und seiner Mitschülerin kurz schüchtern zu, als er sie entdeckte, dann verkrümelte er sich an den Rand der Lichtung, auf der sich die Klasse versammelte. Er wollte nicht auffallen, schließlich war es durchaus möglich, dass Philippos schon mit Feen zu tun gehabt hatte und leichter eine erkannte, als es die Menschen taten.

Irgendwie wirkten seine eintreffenden Schüler nicht so, als hätten sie sich in seiner Refrendarzeit an den Anblick seines Oberkörpers gewöhnt. "Guten Tag, Miss Campbell", grüßte er die eintretende Ravenclaw ebenso höflich und wandte sich dann dem Hufflepuff zu, der sich an den Rand der Lichtung verkrümelte. Er warf einen Blick auf die Pergamentbögen, die McGonagall ihm gegeben hatte. Das musste...Thyr Aldes sein. Ein merkwürdiger Name für ein Menschenwesen. Philippos beschloss, den Jungen etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, man konnte ja nie wissen. "Mr. Aldes, ich bezweifle, dass Sie von dort hinten viel vom Unterricht mitbekommen. Sie dürfen gern näher kommen", bat er mit ruhiger Stimme und wartete dann noch einige Minuten, bis sein Klassenzimmer relativ voll war und eine kleine Gryffindor die Tür hinter sich schloss. "Willkommen, Schüler. Sehen Sie sich einmal aufmerksam im Raum um. Haben Sie eine Idee, worum es im heutigen Unterricht gehen könnte?"

Hope hatte sich auf einen Baumstamm in der vordersten Reihe niedergelassen. Von hier aus hatte sie einen wunderbaren Ausblick auf ... die Sterne. Genau. Und sie war eine Ravenclawvertrauensschülerin, da wurde etwas Strebertum einfach erwartet. Hope legte ein Bein über das andere und grinste den Hufflpeuff an, der sich nach Philippos Aufforderung zögernd neben ihr niederließ und ihr einen verunsicherten Blick zuwarf. Wow, hing ein 'Vorsichtig, bissig! Bitte keine zu plötzlichen Bewegungen' Schild um ihren Hals?
Leider konnte sie Thor oder Thyr oder wie auch immer er hieß nicht mehr fragen, denn ihr Lehrer eröffnete den Unterricht.
"Wenn wir neuerdings nicht Blätterlesen unter schlechten Lichtverhältnissen in den Unterrichtsplan mit aufgenommen haben, dann um Sterne", antwortete Hope immer noch im fröhlichen Tonfall, biss sich dann aber auf die Unterlippe. Die veränderte Umgebung hatte sie einen Moment lang glatt vergessen lassen, dass das hier immer noch normaler Unterricht war und sie sich vermutlich hätte melden sollen. "Verzeihung", schob sie daher etwas kleinlauter hinterher und schenkte Philippos ein entwaffnendes Lächeln.

Thyr hatte keine Zweifel, dass er von hier hinten viel mitbekommen würde. Mehr als genug bestimmt, schließlich verstand er die Hälfte von Wahrsagen sowieso nicht. Warum sollte es für ihn wichtig sein, ob irgendein Planet gerade bescheuert zu einem anderen gestanden hatte, als er geboren worden war? Er war ja auf der Erde geboren und solang die nicht zu nahe an die Sonne kam, war seiner Meinung nach alles bestens, was Planeten und Sterne und sein Schicksal anging. Mit einem Zentauren wollte er sich allerdings nicht anlegen, also ging Thyr mit gesenktem Blick nach vorn und landete neben einer Ravenclaw, der er nur einen flüchtigen Blick zuwarf, ehe er schnell wieder das Gras zu seinen Füßen musterte. Unterricht hin oder her, es fühlte sich gut an, wieder in einem Wald zu sein.

Philippos warf der Ravenclaw, die sich nicht einmal meldete, einen belustigten Blick zu. "Ungestümer Enthusiasmus mag in anderen Fächern gern gesehen sein, ich bevorzuge es tatsächlich, wenn meine Schüler sich melden, auch, wenn sie die ansatzweise korrekten Antworten auch so wissen und in den Raum rufen können, Miss Campbell. Aber Ihnen sei verziehen und ich gewähre zwei Punkte für Ravenclaw." Ihr Lächeln erwiderte er allerdings nicht.
Er musterte den Hufflepuff, der sich verschüchtert neben Hope nieder gelassen hatte. "Mr. Aldes, was verstehen Sie unter Wahrsagen?"

Hope nickte brav und gab sich alle Mühe, einen zerknirschten Eindruck zu machen. Zumindest für einen Moment. Eine kleine Rüge für sie und ein paar Pünktchen für Ravenclaw. Da war sie doch ganz gut davongekommen. "Ich werde mich bessern", versprach sie immer noch lächelnd. Davon, dass dieses Lächeln nicht erwidert wurde, ließ sie sich kein bisschen verunsichern.
Als Philippos Thor oder Thyr Aldes aufrief, warf sie ihrem Sitznachbarn einen neugierigen Blick zu. Er erinnerte sie an jemand anderen. Einen Fawkestrajungen, von dem sie bis heute nicht wusste, was er eigentlich war. Der mit dem niedlichen Welpenblick.

Thyr spürte, wie er rot anlief, als der Lehrer ihn ansprach. Was hatte er denn verbrochen, dass er einfach so drangenommen wurde? Sein Gesicht schien vor Hitze zu glühen, als er vorsichtig den Kopf hob und zuerst in strahlend blaue, neugierige Augen blickte. Die Ravenclaw hätte die Antwort wahrscheinlich gewusst. Er tat es nicht. Zumindest hatte er keine Ahnung, was genau in einem Lehrbuch zu diesem Thema stehen würde. Also würde er wohl mit seinem großartigen Halbwissen auftrumpfen müssen. Vielleicht sollte er es auch besser Achtelwissen nennen. "Ähm ... also ... in ... in Wahrsagen geht es darum ... die Zukunft vorherzusagen?" Thyrs Stimme klang unsicher, so dass seine Antwort am Ende eher wie eine Frage wirkte, aber zumindest hatte er irgendetwas herausbekommen.

Der Junge wirkte so unbeholfen, so absolut verschüchtert. Er wirkte, als wäre er sich nie sicher, dass man nicht etwas anderes erkennen konnte hinter dieser Fassade...Er brachte Philippos zum Nachdenken. Doch er würde sich nach dem Unterricht mehr mit diesem Jungen beschäftigen. "Ein Punkt für Hufflepuff. Aber welche gängigen Methoden kennen Sie, die von Menschenwesen angewendet werden, um die Zukunft vorher zu sagen?", wandte er sich wieder an den Rest der Klasse.

Der neue Hufflepuff war tatsächlich ein Welpe. Ein verängstigter Welpe, der gerade seine Mutter nicht fand und sich deswegen an Ort und Stelle zusammenrollte und hoffte, dass ihm nichts geschehen würde. Irgendwie süß. Auf eine unbeholfene Art.
Hope lächelte belustigt, wandte sich aber von dem Jungen ab und ließ ihre Hand nach oben schnellen, als Philippos die nächste Frage stellte. Zeit, ein bisschen mehr Einsatz als bei der ersten Frage zu zeigen. Zwei magere Pünktchen konnten nun wirklich nicht ihr Stundenziel sein.

Wow. Er hatte seinen ersten Punkt für Hufflepuff geholt. Thyr gestattete sich die Andeutung eines stolzen Lächelns, ehe er den Blick wieder senkte und versuchte, sich möglichst unsichtbar zu machen. Der Blick des Zenaturen verunsicherte ihn und seine Frage konnte er sowieso nicht beantworten. Thyr war schon froh, wenn er die gängigeren Gepflogenheiten der Menschen kannte. Das Mädchen neben ihm hatte dagegen keine Scheu. Ihre Hand war sofort wieder oben und Thyr war froh darüber. Freiwillige steigerten seine Chancen, nicht gleich wieder drangenommen zu werden.

Der Blick des Zentauren glitt durch die Klasse. Die meisten Mädchen starrten seine Muskeln an, als wäre er ein achtes Weltwunder, warum die Jungen in seinem Kurs saßen, war ihm schleierhaft. Menschenwesen waren seltsam und komisch, in dem Punkt hatten die Ältesten vielleicht Recht. Er nickte der Ravenclaw in der ersten Reihe zu, die ihre Hand diesmal sogar gehoben hatte und wartete, bis man sie dran nahm. "Miss Campbell, bitte."

Offenbar hatte sich außer ihr niemand gemeldet. Zumindest konnte Hope sich nur so erklären, warum Philippos tatsächlich sie drannahm. Auch gut, sie würde sich nicht beschweren. Die Ravenclaw senkte ihre Hand wieder und begann zu erzählen. "Wir kennen verschiedene Wege, die Zukunft vorherzusagen. Da wäre die Traumdeutung, die Trauminhalte einer Person deutet. Außerdem die Tasseomantie, die Kunst aus ... nunja, Teeblättern zu lesen. Gern werden auch Kristallkugeln benutzt, um die Zukunft vorauszusagen. Des Weiteren gilt das Kartenlesen als sehr beliebte Methode. Weniger bekannt ist die Ovomantie, hier wird Eidotter für die Vorhersage benutzt. Ebenso eher weniger Beliebtheit erfreut sich die Heptomologie, die durch Bridget Wenlock erforscht wurde. Es handelt sich hier um ein Grenzgebiet zwischen der Numerologie und der eigentlichen Hellseherei, so dass es je nach Lehrkraft im Arithmantikunterricht angeschnitten werden kann. Und dann ist da natürlich noch die Astrologie." Hope legte den Kopf in den Nacken und schaute in den dunklen Himmel. "Die Sternendeutung."