Personen: Joyce Wittwell, Reshaba Kosava
Datum: 03.11.2015
Uhrzeit: 23:30
Ort: Innenhof des Glockenturms
Wetter: 3°C, Regen
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Reshabas Zähne knirschten durch die Kraft, mit der das Mädchen ihre Kiefer gegeneinander presste. Was war nur in ihrer Familie los, dass so etwas geschehen konnte, ohne, dass sie davon wusste, dass sie wenigstens in Kenntnis gesetzt wurde? Nein, das Einzige, was man ihr anvertraut hatte, war, dass Piteraq auftauchen würde. Kein Wort von einer Narbe, kein Wort von einer neuen Großtante. Reshabas Nägel gruben sich in den Stein des Mäuerchens, auf der Reshaba saß, während der Regen auf das magische Schild trommelte. Sie wusste nicht mehr, was sie glauben sollte, was sie tun sollte, auf welche Seite sie nun eigentlich gehörte.

Reshabas Kopf zuckte herum, wie der einer Schlange. Sie war zu tief in Gedanken versunken gewesen und über den Regen hatte sie nicht gehört, dass sich ihr jemand näherte. Sie hatte bereits eine wenig freundliche Antwort auf den Lippen, wie die Person sie mit ihrem Vornamen hatte ansprechen können, als sie Joycenne erkannte. Sie hatte sich mittlerweile, die beabsichtigt förmliche Anrede angewöhnt, da sie nicht das Gefühl hatte, dass Joycenne ihre Versuche mit ihr auszukommen entgegnete. "Ob dieser Abend gut ist, lässt sich streiten, Joycenne." In ihrem Blick lag keine Freundlichkeit, nicht einmal gespielte. Dafür war ihre Stimmung zu düster und ihre Motivation sich für Dion nett zu verhalten hielt sich gerade auch in Grenzen. "Und ich denke nach."

"Leider", wiederholte Reshaba das Wort. Es schmeckte faul in ihrem Mund es auszusprechen. Insgeheim verfluchte sie sich. Wenn sie so weiter machte, würde das kein gutes Ende nehmen. Was tat sie hier überhaupt. Das war nicht sie. Sie war eiskalt, schön und scharf, wie ein Eiszapfen. Nicht giftig, wie eine wütende Viper. Dennoch konnte sie sich des Zweifels nicht entziehen, dass es Joyce leid tat, die Verlobte ihres besten Freundes auf etwas aufmerksam machen zu dürfen.
Der irrationale Wunsch sich aufzulehnen keimte in ihrem Inneren auf. Sie wollte nicht wieder zurück in den Schlafsaal, sie wollte nicht wieder in die Nähe von Dion und Piteraq, bei denen sie unerschütterlich wirken musste. Sie wollte nur in Ruhe nachdenken. "Was spielt es eigentlich für eine Rolle, wo ich mich befinde, wenn ich nachdenken möchte?" Ein kaltes Lächeln zog sich über ihre Lippen, von dem Reshaba nicht einmal selbst wusste wo es her kam. "Ist dieser Platz dann nicht genauso gut wie der Gemeinschaftsraum?"

Reshaba erhob sich betont elegant, wobei ihre kalten, unnatürlichen Augen an denen von Joyce klebten. Die Weißhaarige schob leicht das Kinn, als sie ihren Rücken durchdrückte und betont in die Richtung der Kerker aufbrach. Ihr magisches Schild bewegte sich mit ihr und ließ Joyce nach ein paar Schritten im Regen stehen. Sollte sie sich selbst darum kümmern, dass sie nicht nass wurde. "Scheinbar gehöre ich nicht zu dem privilegierten Kreis, der mit nächtlichen Ausflügen davon kommt?!" Sie konnte sich den Seitenhieb nicht verkneifen.

Reshaba ließ ein leises, affektiertes Kichern vernehmen und wandte sich dabei nicht einmal um. "Keine Sorge Joycenne, ich sehe mich, als was ich will und wo ich will." Scheinbar war es einfacher als gedacht Joyce zu ärgern. Sie ignorierte die Frage von Joyce einfach mal. "Woher kommt eigentlich diese Antipathie mir gegenüber, Joyce?" Reshaba wandte sich nun doch noch einmal um. "Ich meine mich nicht dir Anlass dazu gegeben zu haben." Jedenfalls hätte sie das gewusst und dann wäre dieses Problem wahrscheinlich auch aus der Welt verschwunden. Dafür gab es ja genug hungrige Wendigos.

Eine Art heimtückisches Grinsen breitete sich auf Reshabas Zügen aus, doch es verkroch sich schnell wieder und wich einem recht höflichen Gesichtsausdruck, als sie Joyce wieder ansah. "Nun, ich kann dich beruhigen, zumindest Dion, falls er zu den Menschen gehört, die dir wichtig sind, ist sicher. Dafür sorge ich ja jetzt." Ein herablassendes Lächeln huschte über Reshabas Züge. "Und Dion scheint der Meinung zu sein, dass ich gut zu ihm passe. Jedenfalls seinen nicht seltenen Handlungen nach zu schließen." Reshaba ging vorsichtshalber sicher, dass sie ihren Zauberstab schnell zur Hand hatte. "Vielleicht jetzt noch nicht. Wer weiß, wie die Zeiten sind, wenn unsere Kinder auf dieser Welt sind. Vielleicht ist es dann ein neues hier, ein neues Frankreich. ich wäre vielleicht gnädig genug, eines meiner Kinder mit einem der deinen eine Vereinigung eingehen zu lassen, wenn dich das beruhigt."

"Tötungsmaschinerie? Wie melodramatisch. Hat etwa jemand über die Familientraditionen geplaudert?" Reshaba setzte kurz ein gespielt entsetztes Gesicht auf. "Und um dich zu beruhigen, vermutlich nachher." Ein gespielt grausiges Lächeln umspielte ihre Lippen. "Aber wenn er sich weiter so bemüht, behalte ich ihn vielleicht ein bisschen länger." Reshabas Stimme hatte den Ton des Schnurrens angenommen, dass bisher nur Dion zu hören bekommen hatte. Darauf folgte ein Zwinkern. "Ich hoffe es beruhigt dich, dir zu sagen, dass eigentlich alle Mitglieder meiner Familie treu bis in den Tod sind. Beziehungsweise ableben, sollte sich dies ändern." Das Mädchen warf eine Kaskade aus weißem Haar zurück. "Mehr jedenfalls, als die Geschichte der Zabinis zu schließen lässt. Und was meinen lieben Verlobten angeht: Ich kenne Seiten an ihm, die selbst du nicht kennst." Ein eisiges Lächeln. "Sehr gut sogar." Das Lächeln wurde breiter. "Könnten. Ein großer Unterschied. Und auch nur, weil du die Konsequenzen nicht kennst." Das Lächeln bekam einen verächtlichen Zug. "Aber ich kann Dion gerne ausrichten, dass seine Kinder zu viel Abscheu in seiner besten Freundin hervorrufen, um eine Verbindung der Familien zu bedenken. Ich war ja ohnehin auf dem Weg in den Gemeinschaftsraum."

"Da scheint beinahe jemand bissig zu sein, weil doch ein gewisser Jemand meine Gesellschaft öfter sucht als deine. Nun, ich wurde zumindest eingeladen, wie sieht es bei dir aus?" Das spöttische Lächeln wurde breiter und Reshaba ging langsam weiter, um Joyce dazu zu zwingen ihr hinterher zu laufen. "Deine Warnungen dürften ein bisschen spät kommen. Scheinbar hat ein Kätzchen schon ihre Krallen in ihn geschlagen. Und so wie es aussieht ist jede Definition von Familie unterschiedlich. Aber gut, du darfst deinen besten Freund bald zu dieser Sippschaft zählen. Zumindest seine kleine Schwester." Auf Reshabas Gesicht breitete sich ein grausam triumphierendes Lächeln aus. "Mit besten Grüßen von meinem Großonkel. Und wo wir gerade bei Offenbarungen sind. Ich bezweifle, dass du genauer über die Seiten bescheid weißt, die er mir offenbart." Wieder die schnurrende Stimme und ein Zwinkern, während der Zauberstab in Reshabas Hand glitt und ein ungesagter Protego um das Mädchen Gestalt annahm.
"Wie es aussieht hat mein Verlobter viel erzählt. Aber leider nicht das Wesentliche. Unsere Magie vererbt sich nicht durch die Haarfarbe." Reshaba lachte leise und verächtlich. "Informiere dich bitte noch einmal, bevor du solche Mutmaßungen äußerst." Der nächste Satz allerdings saß und ließ ein eisiges Bild durch Reshabas Kopf huschen. Ein Bild von zwei Statuen. "Meiner Meinung nach, ist man ohne eine Definition solcher Dinge besser dran." Ein grausamer Ausdruck schlich sich auf ihr Gesicht. "Eine Kostprobe gefällig, wieso das meine Meinung ist?" Der Ausdruck in Reshabas Augen machte klar, dass es kein Scherz mehr war.