Thyr würde die Menschen nie verstehen. Feen waren vergleichsweise einfach. Natürlich waren sie nicht hundertprozentig gleich, jede hatte ihren eigenen Charakter, aber wusste man, wie man mit einer zurechtkam, war es nicht mehr schwer, mit anderen Feen Umgang zu pflegen. Nie das Aussehen einer Fee kritisieren, sie immer in den Mittelpunkt stellen und wenn man sie irgendwie verärgert hatte, half immer ein Kompliment. Aber Menschen waren nicht so einfach. Es gab unglaublich liebenswerte, fröhliche Exemplare, es gab die, die nicht gerade freundlich waren, und dann gab es offenbar auch größenwahnsinnige, die tatsächlich Eissplitter durch die Gegend schossen, wenn ihnen eine Unterhaltung nicht gefiel. Merlin, und da hatte Thyr mal gedacht, seine Mutter wäre hysterisch, wenn sie Haselnüsse nach ihm warf! Apropos Eissplitter, da flog schon der nächste auf ihn zu und dieses Mal musste Thyr ausweichen und stolperte nach hinten. Der Splitter verfehlte ihn knapp und jetzt reichte es Thyr. Er verstand dieses Mädchen und ihre Logik sowieso nicht.
"Für sowas kannst du von der Schule fliegen!", stellte er entrüstet fest und beschloss, dass er die Fee einfach von einem Lehrer würde befreien lassen, wenn er sich wegen der Eissplitter beschwerte. Das hier wurde ihm eindeutig zu verrückt.

Thyrs Mund klappte ungläubig auf. "Ja, weil ich ausgewichen bin. Das macht den Angriff nicht besser!"
Er dachte schon, dass das größenwahnsinnige Mädchen nachgegeben hätte, als die Eissplitter sich auflösten. Thyr wollte es nicht herausfinden, also setzte er sich in Bewegung, um in Richtung Schloss zu kommen, doch dann hörte er das Mädchen einen Zauber sprechen und ehe er reagieren konnte, verschwanden die Ländereien vor ihm.

Thyr flog mit einigen seiner Freunde panisch durch den Wald. Als er sich umdrehte, sah er hinter sich einen riesigen Hirschkäfer, der wütend hinter ihm herbrummte. Das Bild verschwand wieder und jetzt flog Thyr allein durch einen dichten Wald. Zwischen den Blättern sah er immer wieder Sohnenstrahlen hervorblitzen und einer davon beleuchtete einen Zauberstab auf dem Waldboden, der größer war als Thyr selbst. Thyr flog näher und sein Blick verschwamm wieder.
Dieses Mal war der Feenjunge schon keine Fee mehr. Er stand im Kaminraum, war verunsichert, aber aufgeregt und stolperte mit den ungewohnt schweren Menschengliedern an den Fenstern entlang und dann direkt in ein Menschenmädchen hinein. "Entschuldige!", hörte er sich selbst sagen und dann suchte er erst einmal vergeblich den Menschen, den er umgelaufen hatte, auf Augenhöhe, ehe er den Blick senkte. "Ich bin größer als du!", hörte Thyr sich selbst begeistert sagen, während er in Maras frech grinsendes Gesicht sah. "Sag doch einfach, wenn du mich umwerfend findest!" Maras Stimme war schon nur noch schwach zu hören und vermischte sich mit ihrem Lachen als sie im Honigtopf waren. "Danke für die lieben Worte", sagte sie und er spürte ihre Lippen an seiner Wange ...


Thyr war langsam bewusst geworden, dass er diese Erinnerungen nicht allein sah, und er zwang sich, sich wieder auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Das waren seine Erinnerungen!
Endlich stand er wieder im kalten Sturm auf den Ländereien und schüttelte immer noch etwas benommen den Kopf. Was war das gewesen?!

Thyr brauchte noch ein paar Sekunden, um sich zu ordnen, doch dann hörte er die kalte Stimme des Mädchens und riss entsetzt die Augen auf. Fee. Sie hatte ihn Fee genannt. Thyr biss die Zähne zusammen, als ihm klar wurde, was das hieß. Sie hatte seine Erinnerungen gesehen!
"Hey, das ist mein Kopf!" Er strubbelte unwillkürlich durch seine Haare. Bestimmt war auch das verboten. Er würde einfach Professor McGonagall informieren und ...
"Aber ich muss zugeben, eine hübsche Freundin hast du. Es wäre doch eine Schande, wenn ihr etwas zustoßen sollte, wenn ich von der Schule fliegen würde, nicht wahr Fee?"
Thyr erstarrte und schaute das Mädchen ungläubig an. Sie drohte Mara etwas zu tun? Mara?! Der Hufflepuff ballte die Hände zu Fäusten und sein Blick wurde zum ersten Mal wirklich finster. "Wenn du hier weg bist, dürfte ihr nichts mehr zustoßen können."

Ihn schützen? Warum hätte er bisher denn je einen Gedanken daran verschwenden sollen? Thyr war zwischen Feen aufgewachsen. Sie konnten in Feengestalt nicht mal wirklich zaubern. Inzwischen lächelte das Mädchen sogar, aber Thyr fand das nicht sehr beruhigend. Außerdem war er gerade eindeutig zu aufgewühlt, um sich darum zu kümmern. "Mein Name ist nicht Fee und du lässt Mara in Frieden. Außerdem, wer sollte schon jemanden wie dich vermissen?" Das allerdings fragte Thyr sich wirklich. Das Mädchen war uunausstehlich und sie tat grausame Dinge. Die Fäuste des Hufflepuff zitterten leicht, aber er konnte nichts tun.
Das Mädchen war nähergekommen. Thyr wäre am liebsten einen Schritt zurückgegangen, aber er blieb stehen und schaute das Mädchen trotzig an.

Thyr knirschte mit den Zähnen. Er hatte sich schon häufig hilflos gefühlt. Merlin, er war eine Fee! Er war es gewohnt sich hilflos zu fühlen, sobald auch nur ein Falke in seiner Nähe flog. Aber das hier war anders. Er musste sich verstecken, wie jedes Mal. Nur dass er dieses Mal nicht nur die Verantwortung für sich hatte. Thyrs Blick flackerte zu der hilflosen Fee, die genauso gut er hätte sein können. Er fühlte sich wie ein Versager, weil die Worte des Mädchens ihm klar machten, dass er seine Mitfee im Stich würde lassen müssen. Es war nicht, weil er nicht bereit gewesen wäre, seine Herkunft zuzugeben, um sie zu retten, aber er konnte nicht riskieren, dass dieses grausame Mädchen Mara etwas tat! Als sie Thyrs Lippen berührte, verzog er das Gesicht und trat doch einen Schritt zurück. Ja, was würde Mara sagen? Er wusste es nicht, aber er hätte es riskiert, um die Fee zu retten, wenn er sich keine Sorgen hätte machen müssen, dass Mara mehr geschah, als dass sie sein Geheimnis erfuhr. Aber Thyr sagte das nicht laut. Sollte das Mädchen sich ihre eigenen Gedanken machen, warum er auf die Abmachung einging.
"Wir haben eine", erwiderte Thyr also widerwillig und warf der Fee einen entschuldigenden Blick zu. Kaum zu glauben, was für ein Versager er war! Er konnte nicht mal eine kleine Fee vor einer einzigen Person beschützen.

Thyr war es nicht gewohnt, wirklich wütend zu sein. Vielleicht empört oder enttäuscht und sehr, sehr oft verwirrt, aber er war eigentlich sehr selten wütend. Aber jetzt schien sein Blut zu kochen und er musste sich zusammennehmen, um nichts Unbedachtes zu tun. "Wir leben auch gern bei unseren Familien und werden gefragt, bevor man uns zeitlich begrenzt als Dekoration nutzt", stellte der Hufflepuff klar. Er hatte der Fee helfen und sie vor dem Sturm retten wollen, aber jetzt hatte er ihre Situation nur verschlimmert!
Grimmig erwiderte er den Blick des Mädchens und nickte dann steif. Hauptsache, sie hielt sich fern von Mara. Sie und welche Freunde sie hier auch immer hatte. Die Feensache war im Vergleich nicht so wichtig. Thyr nahm sich aber vor, demnächst mit Mara zu reden. Er wollte nicht, dass sie es am Ende von jemand anderem erfuhr. Das wirkte so ... falsch, vor allem, weil sie so offen mit ihrer eigenen Herkunft umgegangen war. Thyr bemühte sich, seine Gedanken bei Mara zu behalten, weil es immerhin hieß, dass er nicht über die andere Fee nachdenken musste.
"Ich sage nichts über dieses Treffen, du sagst keinem wer ich bin und lässt Mara in Ruhe", fasste Thyr noch einmal kurz angebunden zusammen und zögerte dann kurz. "Was hast du mit der Fee vor?"

Thyr musste nach den letzten Minuten nicht mehr sonderlich kritisch sein, um sich denken zu können, dass das weißhaarige Mädchen mit dieser Aussage nichts Gutes meinte. Sie würde die Fee nicht nach ein paar Stunden einfach wieder fliegen lassen. Thyr warf dem kleinen, geflügelten Wesen noch einen schuldbewussten Blick zu. Er war sich noch nie so hilflos vorgekommen und das wollte etwas heißen, denn die meisten Wesen, die ihn früher bedroht hatten, konnte er jetzt einfach unter seinen Schuhen zerdrücken.
"Ich verzichte", teilte er dem Mädchen mit gepresster Stimme mit und grub seine Hände tief in die Taschen seines Umhangs, um bloß nicht nach dem Zauberstab zu greifen, der in seinem Ärmel war.
Das Mädchen verschwand und mit ihr ging die Kälte, aber das half ihm gerade nur bedingt weiter. Mit hängendem Kopf und ohne den Regen zu beachten, ging Thyr langsam zum Schloss zurück.

tbc: irgendwo

cf Zeitsprung

Pansy hatte den Felsen mit einem Wärmezauber belegt und sich dann gesetzt. Sie mochte den herbst nicht wirklich aber solange es trocken war konnte man sich immer noch ganz gut draußen aufhalten. Eigentlich hatte sie sich gefreut ein wenig nachdenken zu können, doch nun war ihr langweilig. Sie sah in den Himmel hinauf, der voller Wolken hing, aber wenigstens hielten sie noch dicht. Das konnte sich ändern und wenn dann war es vermutlich bald weiß hier. Die Slytherin seufzte und wickelte sich enger in ihren Umhang. Sie hatte auch ihn mit einem Wärmezauber belegt und sah nun auf, als sie eine wohlbekannte Stimme hörte.