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cf: Dachboden auf dem Glockenturm

Dions Gedanken waren noch bei Sayla und bei dem Schlamassel, in das er sie beide geritten hatte. Eigentlich wollte er nicht an das Häufchen Elend ein paar Stockwerke über ihm denken, aber wie konnte er denn nicht? Wäre er mit seinen Gedanken woanders gewesen, hätte er vielleicht daran gedacht, die Karte des Rumtreibers zu überprüfen, aber so lief er kurz vor dem Gemeinschaftsraum ausgerechnet in die neue Vertrauensschülerin des Hauses Slytherin hinein. Verdammt, wie spät war es? Dion ließ sich nichts anmerken, sondern bedachte Jenifer Darver mit einem kurzen Kopfnicken. Er hatte zwar schon ein paar Mal mit der Slytherin zu tun gehabt und wusste, dass sie eine gute Freundin von Albus war, aber er selbst kannte sie nicht sonderlich gut. "Entschdulige, ich wollte dich nicht umrennen", murmelte er und machte Platz, damit sie zuerst zu der Mauer gehen konnte, die den Durchgang zum Gemeinschaftsraum verbarg.

Jenifer schien nicht vorzuhaben, den Gemeinschaftsraum zu betreten. Dion hob überrascht eine Augenbraue, nahm es dann aber einfach hin. Sie war Vertrauensschülerin und konnte sich das leisten. Und wenn sie hier draußen ein Gespräch beginnen wollte, würde er schon keinen Ärger von ihr bekommen, weil er noch in den Gängen war, statt im Gemeinschaftsraum.
"Ist es so offensichtlich, dass das nicht mein Tag war?", fragte er trocken. "Nein, es ist nicht alles in Ordnung, aber bei wem ist es das gerade schon?" Zwar war es in seinem Fall nicht der Krieg, der ihm zu schaffen machte, aber in Sachen gedrückter Stimmung befand er sich ganz sicher in bester Gesellschaft. Dieser Gedanke erinnerte ihn daran, dass er sich vermutlich auch nach Jenifers Familie erkundigen sollte.
"Und bei dir? Ich hoffe, Prof... Mr. Darver hat den Krieg bisher gut überstanden?" Hatte sie sonst überhaupt groß Familie? Dion erinnerte sich, dass er Jenifer in der Bibliothek getroffen hatte, als sie ganz neu gewesen war, aber er konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob sie ausführlicher über ihre Familie gesprochen hatten. Um seine Mundwinkel erschien ein ironisches Lächeln, als ihm bewusst wurde, dass Reshaba diese Information höchstwahrscheinlich schon hatte und genau gewusst hätte, wie es um Jenifers Familie stand.

Großartig. Einfach großartig. Was, wenn Reshaba im Gemeinschaftsraum war? Zum Glück hatte er die Karte des Rumtreibers bei sich und konnte vorher nachschauen, ob die Luft rein war. Zumindest wenn Jenifer vorher aus dem Gang verschwand, was leider noch fragwürdig war. Dion wollte sich aber unter keinen Umständen jetzt mit seiner Verlobten herumschlagen.
"Meine Familie besteht aus Reinblütern, die die Muggelwelt selbst in Friedenszeiten nicht freiwillig betreten. Denen gehts bestens", versicherte Dion mit einem Hauch von Spott in der Stimme. Gut, Paul, sein sogenannter 'Stiefvater' stapfte vielleicht durch die Muggelwelt, aber um den wäre es nun wirklich nicht schade gewesen.
Sein Blick richtete sich wieder auf Jenifer und er legte leicht den Kopf schief. Da war jemand neugierig und hatte Durchhaltevermögen. Ein bisschen wie Joyce. "Vielleicht, aber ohne jetzt unfreundlich klingen zu wollen, das würde dich nichts angehen, oder? Albus ist derjenige, der mit seinen Problemen zu dir kommt, ich habe dafür andere Freunde." Dions Stimme klang tatsächlich nicht unfreundlich, als er das sagte. Er hatte nur kein großes Interesse daran, seine sehr privaten Probleme mit jemandem zu besprechen, mit dem er nicht mehr als zwei Dutzend Worte geredet hatte.
"Unhöflich nicht, der ein oder andere hätte es bestimmt sogar zu schätzen gewusst", versicherte Dion auf Jenifers letzte Worte hin trocken und bemühte sich um ein beruhigendes Lächeln.

Dions Lächeln war nicht unbedingt fröhlich, als er Jenifer jetzt anschaute. Es hatte eher schon fast etwas zynisches. "Natürlich kenne ich den Begriff. Ich muss ihn nur nicht sonderlich oft einsetzen." Das beste Beispiel dafür war Reshabas Umgang mit Sayla. Trotzdem wusste er natürlich, was Jenifer meinte, und ließ das Thema einfach fallen. Dass sie nicht mehr mit Albus sprach, fesselte im Moment auch eher seine Aufmerksamkeit. Dion hatte den Kopf mit Reshaba und Sayla vollgehabt und bisher kaum die Gelegenheit ergreifen können, mit seinem besten Freund zu sprechen. Als sie sich zuletzt unterhalten hatten, war alles in Ordnung gewesen. Melissa hatte eifersüchtig auf Jenifer reagiert, das wusste er, aber hätte Albus deshalb eine Freundschaft beendet? "Albus ist mein bester Freund, allerdings muss ich zugeben, dass ich davon bisher nichts wusste. Kann ich irgendwie helfen?", fragte Dion nach.
Ah, und da kehrte sie die Vertrauensschülerin heraus. Dion hatte sich schon gefragt, wann das passieren würde. Slytherins waren einfach keine Menschen, die solche Positionen nicht zu nutzen wussten. "Ich bin hier, weil ich zurück in den Gemeinschaftsraum wollte, um noch halbwegs pünktlich zur Nachtsperre nicht mehr auf den Gängen zu sein", antwortete er brav, auch wenn er wusste, dass er den Teil, den Jenifer gern gewusst hätte, damit ausließ.

Dions Augenbraue wanderte in die Höhe. "Ich hatte bisher noch nicht die Gelegenheit mit unserem neuen Schulsprecher zu reden." Etwas, das er sowieso nachholen musste. Dass Jenifer nicht unbedingt mit ihm über dieses Problem reden wollte, verstand er, nur würde er dann erst Recht nicht zulassen, dass sie in seine Privatsphäre eindrang. Erst recht nicht mit schlecht verhohlenen Drohungen für ein eventuelles Nachsitzen. Um Dions Mund spielte die Andeutung eines amüsierten Lächelns. Wenn er wegen Sayla nicht gerade deprimiert gewesen wäre, hätte das glatt Spaß gemacht. "Ich bin ein Slytherin, ein bisschen gemein sein gehört bei uns meiner Erinnerung nach zum guten Ton. Und ich hatte ganz offensichtlich noch etwas zu erledigen. Etwas Privates. Und wäre kein bisschen zu spät gekommen, wenn ich nicht so höflich gewesen wäre, dir den Vortritt lassen zu wollen und du mich nicht aufgehalten hättest." Dion war sich bei Letzterem nicht so sicher, aber er wusste, dass er noch eine halbe Stunde Zeit gehabt hatte, als er oben bei Sayla angekommen war. Ihr Gespräch war sehr kurz gewesen und mit dem Weg in die Kerker konnte er allerhöchstens fünf Minuten zu spät gewesen sein. Selbst die meisten Lehrer hätten es als reine Schikane angesehen, wenn ein Vertrauensschüler jemanden, der genau zu Beginn der Nachtsperre in den Gemeinschaftsraum wollte, wegen ein paar Sekunden Verspätung schon Nachsitzen aufbrummte. Der Slytherin verschränkte die Arme vor der Brust und musterte seine Mitschülerin erwartungsvoll.

"Ich werde mich bemühen", versprach Dion. Die Probleme anderer waren immerhin eine tolle Ablenkung für seine eigenen Probleme. Schon bei Rachel war es das gewesen, was ihn halbwegs wieder auf die Bahn gebracht hatte. Seine Animagusübungen und Sayla ... Und jetzt musste er sich von Sayla ablenken. Dieses Mal vielleicht ohne damit jemand anderen ins Unglück zu stürzen. Ironischerweise war mit Reshaba ja schon das nächste Mädchen da, um das er sich kümmern musste.
"Ich zweifle nicht daran, dass du gut im Zuhören bist, nur sind meine Freunde das auch. Und bei ihnen weiß ich, dass sie auch hervorragend im Schweigen sind. Das ist nicht böse gemeint, aber du würdest jemanden, den du bisher kaum kennst, auch nichts sehr Privates erzählen wollen, oder? Und ich fürchte, viel privater als mein derzeitiges Problem geht es nicht."
Jenifer setzte eine schmollende Miene auf, gab aber nach, was Dion ein kurzes, triumphierendes Lächeln entlockte. "Zu nett von dir. Wie auch immer, ich könnte tatsächlich ein bisschen Ablenkung gebrauchen, also wenn du noch nichts vorhast und nicht die nächsten Stunden allein in kalten Kerkergängen herumlaufen willst, stehe ich gern zur Verfügung."

Dion legte den Kopf schief und musterte Jenifer verwirrt. Sie sollten im gleichen Boot sitzen? Daran hatte er seine Zweifel. Außer, Robert Darver hielt neuerdings auch viel davon, sein Kind in eine Zwangsehe zu drängen. Aber Liebeskummer war nicht ganz unwahrscheinlich. Nicht, dass Dion wirklich welchen hatte, aber die meisten Schüler ab der vierten Klasse schienen sowas irgendwann mal zu durchleben und es schien das erste zu sein, worauf jeder tippte, wenn jemand mit Grabesmiene durch die Gänge trabte. Ironischerweise lag man damit selten falsch. Bei ihm hatten seine Freunde im letzten Jahr damit sogar goldrichtig gelesen. Dion verzog das Gesicht, als er daran dachte, und konzentrierte sich wieder auf Jenifer. "Glaubst du das, hm?"
Um die Mundwinkel des Slytherins erschien nun ein herausforderndes Lächeln. "Na dann, kleine Vertrauensschülerin, bist du bereit ein paar Regeln zu brechen, um es herauszufinden?"