cf. Zeitsprung

Joyce lag auf dem Rücken auf der Wiese, auf der auch die Peitschende Weide stand und sah dem Baum beim Schlagen zu. Die Brünette trug nur Hotpants und ein Bikinioberteil, die Sonne konnte ihre Haut bräunen und sie kam nicht vor Hitze um. Nachdenklich drehte die Schulsprecherin eine Haarsträhne um ihren Finger und dachte darüber nach, wie die letzte Woche verlaufen war. Sie hatte bei einigen anderen Schülern bessere Hilfe geleistet, als bei dem Griesgram, der in ihren eigenen Jahrgang gekommen war. Doch trotzdem fühlte sie sich nicht besser, der Krieg drückte auf ihr Gemüt und ließ sie trotz ihrer Hilfe hilflos wirken.

cf: Zeitsprung

Nathaniel hatte sich in den letzten Tagen ein wenig im Schloss umgeschaut. Es hatte ein bisschen gedauert, ehe er alles gefunden hatte, weil er niemanden hatte ansprechen wollen. Die meisten Schüler musterten ihn inzwischen neugierig, weil er sich nie mit jemandem abzugeben schien. Er kannte das schon. In ein paar Wochen würden sie ihn als Eigenbrötler abstempeln und nicht mehr weiter beachten.
Gestern hatte er seine Recherchen in der Bibliothek begonnen. Großbritannien hatte eine interessante Geschichte, wenn es um Geister ging. Nathaniel würde viel Lesematerial haben. Aber heute war es ihm in der Bibliothek zu warm und stickig gewesen, also hatte er sich zwei Bücher gegriffen und erkundete nun die Ländereien. Ein bisschen fühlte er sich wie als Kind, wenn er mit den Büchern aus der Bibliothek seines Großvaters nach draußen gehuscht war, obwohl er es nicht gedurft hatte. Der Gedanke ließ kurz ein melancholisches Lächeln auf seinem Gesicht erscheinen.
In seiner Nähe erregte ein Baum Nathaniels Aufmerksamkeit. Obwohl kein starker Wind war, bewegte sich der Baum unablässig und ... schlug mit seinen Ästen durch die Gegend. Neugierig ging er näher an den Baum heran. Ja, die Weide schlug tatsächlich von selbst aus. Und in ihrer Nähe lag jemand. Nathaniel bemerkte das Mädchen erst, als er schon fast einen Schatten auf sie warf. Es war Joyce, die praktisch halbnackt auf der Wiese lag und sich sonnte. Der Gryffindor erstarrte in seiner Bewegung. Offenbar wurde es Zeit für einen Rückzug.

Joyce bemerkte Bewegungen hinter sich, stützte sich auf die Ellbogen und wandte sich um. Eine ihrer Augenbrauen bewegte sich ein paar Millimeter in die Höhe. Wenn man an den Griesgram dachte, kam er offensichtlich. Wie als wenn man vom Teufel sprach. "Hey", murmelte sie freundlich. Warum war sie eigentlich noch freundlich, nachdem er sie behandelt hatte, wie der letzte Abschaum? Naja, was machte das schon. "Konntest du dich ein bisschen im Schloss einleben?"

Nathaniel hätte fast die Augen verdreht, wenn da nicht sein schlechtes Gewissen gewesen wäre. Wirklich? Sie war nett zu ihm? Was musste man tun, damit dieses Mädchen einem die kalte Schulter zeigte? "Guten Tag", erwiderte er ihren Gruß förmlich und achtete darauf, ihr nur in die dunklen Augen zu schauen. Ihre Kleidung war ... ziemlich sommerlich, was Nathaniel ein Lächeln entlockt hätte, wenn Joyce' Blick nicht gerade auf ihn gerichtet gewesen wäre. "Ja, konnte ich, danke. Ich wollte nicht stören." Er nickte seiner Mitschülerin zu und machte einen Schritt zurück, um sie wieder in Ruhe ihrem Sonnenbad zu überlassen.

"Du störst nicht", widersprach sie und lächelte leicht. Sie wusste, dass sie allen Grund hatte, sauer zu sein, aber er war neu hier und da konnte Nettsein und auch eine weitere Chance wohl auch nicht schaden. Sie klopfte leicht und einladend auf die Wiese neben sich und warf dann wieder einen kurzen Blick zur Weide hinüber. Ein kleiner Vogel flatterte in ihre Nähe und die Weide erwischte ihn mit einem Zweig und schleuderte ihn davon. Mitfühlend verzog die Gryffindor kurz ihr Gesicht.

Nathaniel runzelte frustriert die Stirn. "Was muss man eigentlich tun, damit du aufhörst nett zu sein?" Leider klappte es. Ohne dass er es wirklich wollte, setzte sein Körper sich in Bewegung und er setzte sich neben Joyce ins Gras, starrte aber die Bücher in seinen Händen an, um sie nicht ansehen zu müssen. Was tat er hier? Er sollte sich ein schattiges Plätzchen suchen, um seine Bücher zu lesen, statt hier zu sitzen und Joyce den Eindruck zu geben, er würde doch mit ihr reden wollen. Wobei er eigentlich schon wollte. Aber er konnte nicht.

Joyce' Blick wurde ungläubig und sie sah ihn irritiert an, nachdem er sich gesetzt hatte. "Sollte ich mich jetzt beleidigt fühlen?", erkundigte sie sich und ihre Stimme hatte einen etwas kälteren Ton angenommen, als sie beabsichtigt hatte. Sie seufzte leise und ließ sich zurück auf die Wiese sinken. "Ich habe dir nichts getan, Nathaniel, ich habe es demnach nicht verdient. Ich versuche, nett zu sein, weil ich finde, das erleichtert neuen Mitschülern meist das Einleben in Hogwarts und ich verstehe nur einfach nicht, wo dein Problem ist", erklärte sie, ohne ihn anzusehen. Sie starrte wieder die Peitschende Weide an.

Ohne dass er es wollte, wanderte Nathaniels Blick zu Joyce. Sie hatte sich wieder hingelegt und schaute zu dem Baum, vor dem sie saßen. "Mach was du willst", sagte er trocken und entschuldigte sich innerlich bei dem Mädchen.
"Ich brauche keine Hilfe und ich habe dich nicht darum gebeten, dass du mir Gesellschaft leistest." Um seine Aussage zu verdeutlichen, schlug Nathaniel eines der Bücher auf. Es ging um verschiedene Vorkommnisse in alten, englischen Gemäuern. Angeblich versammelte sich in einem solchen Anwesen magisches Potenzial, wenn Zaubererfamilien über Generationen darin lebten. Das traf auf Nathaniels Heim zu, also fand er den Ansatz vielversprechend und vertiefte sich in das zweite Kapitel.

Autsch, zuckte es durch Joyce' Kopf und sie zwang sich, ihn nicht anzusehen, ihm nicht an den Kopf zu knallen, was sie gerne sagen wollte. Sie war jetzt Schulsprecherin, sie musste ihr Temperament unter Kontrolle halten. "Gerade leistest du eigentlich mehr mir Gesellschaft und es widerspricht deinen Worten", erklärte sie dann kühl und kam geschmeidig auf die Beine, ging langsam auf die Peitschende Weide zu, sah ihr beim Schlagen zu und achtete zugleich darauf, nicht getroffen zu werden. Sie wünschte sich fast, so frei zu sein, wie sei, immer um sich schlagen zu dürfen, ohne damit andere zu verletzen...oder die Einstellung von Nathaniel zu haben, dem es offenbar egal war, wie viel er vor den Kopf stieß.

"Entschuldige, ich werde deiner Einladung das nächste Mal nicht folgen", versprach Nathaniel kühl und ließ seinen Blick ins Buch gerichtet. Als Joyce dann allerdings aufstand, spürte er leises Bedauern darüber, dass sie nun offenbar wirklich nicht mehr in seiner Nähe sein wollte. Wie dumm von ihm.
Doch Joyce ging gar nicht weit weg. Sie ging zu dem um sich schlagenden Baum. Nathaniel ließ das Buch sinken, als sie den peitschenden Ästen seiner Meinung nach beunruhigend nahe kam.
"Du solltest da weggehen!", rief er ihr zu.

Es war ein verdammtes, ewiges Hin und Her mit diesem Jungen. Einerseits blieb er in ihrer Nähe, andererseits versuchte er, sie auf Distanz zu halten. Was war das bitte für ein dämliches Spiel? Dann hörte sie plötzlich erneut seine Stimme, und wandte sich halb um, wobei das Sonnenlicht auf ihr Piercing fiel und den grünen Stein zum Glitzern brachte. "Mir passiert nichts", rief sie, ein leises Lachen in der Stimme, ungläubig und verständnislos.

Nathaniel warf seiner Mitschülerin einen zweifelnden Blick zu. "Dieser Baum sieht gefährlich aus und du stehst ziemlich nahe an ihm dran", wandte er ein und vergaß für den Moment die Tatsache, dass er nicht mit ihr reden durfte. Was brachte die Rettung vor Denisa, wenn sie von einem armdicken Ast erschlagen wurde?
Und schon wieder schien das Mädchen fröhlich zu sein. Joyce' Laune auf lange Sicht zu trüben schien ein schweres Unterfangen zu sein. "Willst du nicht lieber da wegkommen?", versuchte er es noch einmal.

"Dieser Baum ist die geschichtsträchtige Peitschende Weide und so nah dran stehe ich gar nicht", widersprach sie und warf einen kurzen Blick hinter sich. Die Äste schlugen immer mindestens einen Meter entfernt von ihr auf dem Boden auf. Ein gutes Zeichen wie sie fand. Sie stemmte einen Arm in ihre Hüfte und musterte den Dunkelhaarigen, immer noch Unglauben im Blick. "Du verwirrst mich", gab sie offen zu, während ihre Augen über ihn hinweg glitten, ihn zu analysieren versuchten.

Nathaniel war ziemlich egal wie geschichtsträchtig der Baum war. Wenn es nach ihm ging, konnte er ein paar Millionen Jahre alt und der letzte seiner Art sein. Er war gefährlich und Joyce stand für einen Geschmack zu nahe an den ausschlagenden Ästen.
"Könnten wir der Geschichte des Baumes vielleicht keine verletzte Schülerin hinzufügen?", fragte er möglichst beiläufig nach. Nathaniel hasste seine Neigung sich um andere Sorgen zu machen. Sie machte sein Leben soviel schwerer. Am liebsten wäre er aufgestanden und hätte Joyce ein Stück von der Weide weggezogen.
"Oh, keine Sorge, du mich auch. Könntest du jetzt endlich ein bisschen mehr Sicherheitsabstand zwischen dich und diesen Baum bringen?", bat Nathaniel zum gefühlten ein dutzendsten Mal.