Mit einer gewissen Sehnsucht im Blick fingen Joyce' Augen wieder das Glitzern des Meeres ein, sie liebte das Haus ihrer Großeltern in Spanien und alles damit verbundene. Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Nate ihre Hand los ließ. Innerlich seufzte die Brünette, ging aber mit einem leichten Lächeln über das Bedauern hinweg, das sich in ihr regte.
Sie seufzte allerdings tatsächlich, als Nate sich umdrehte, um etwas zu sagen und es schließlich doch nicht tat. Blöder, mysteriöser, geheimnisumwitterter und viel zu anziehender Kerl. Wieder zögerte Joyce unwillkürlich, als er die Hand nach ihr ausstreckte, schlüpfte aber schließlich dennoch aus ihren Ballerinas und folgte seiner Einladung.

Dummes, süchtig machendes Kribbeln. Nate spürte es sofort wieder, als Joyce ihn berührte, und zog sie etwas schwungvoller und damit näher an sich heran, als er es eigentlich gewollt hatte. Als sie fast gegen ihn stieß, schaute Nate sie entschuldigend an, verflocht aber ohne wirklich darüber nachzudenken ihre Finger wieder ineinander. "Gehst du hier oft schwimmen?", fragte er, um ein unverfängliches Thema anzuschneiden. Irgendetwas, dass sie beide ablenken würde. Irgendetwas, dass den Namen Denisa von seiner Zunge verschwinden ließ. Nate hatte diesen Geist noch nie so sehr verabscheut wie gerade eben, als er zum ersten Mal mehr als potenzielle Freundschaften aufgeben musste.

Sie fing den unerwarteten Schwung ab, in dem sie ihn mit der anderen Hand kurz an der Schulter berührte und ging über seinen entschuldigenden Blick mit einem verlegenen Lächeln hinweg. Sie senkte den Blick auf ihre Hände, die er wieder ineinander verflocht und eine leichte Röte stieg auf ihre Wangen. Beinahe hätte sie seine Frage überhört, nickte aber als Antwort. "Wenn es warm genug ist, wenn ich nach Spanien fliege, ja", erklärte sie und vergrub die Zehen im weichen Meeressand.

Nate nickte leicht und schaute einen Moment nachdenklich in Joyce' Gesicht. Er hatte es schon wieder geschafft, dass sie Rot wurde. Schnell sah er wieder weg und betrachtete das glitzernde Meer. "Ich gehe in Rumänien auch ab und zu schwimmen, obwohl wir nicht gerade in der Nähe des Meers leben. Aber wozu gibt es magische Transportwege, nicht?"
Seine Stimme klang bemüht beiläufig, aber er hatte nicht das Gefühl, dass sein Versuch, Smalltalk zu betreiben, sonderlich gut klappte. Nate zog Joyce sanft mit sich, als er begann am Strand entlangzugehen. "Kommst du allein hier her oder mit Freunden?"

Sie bemerkte seinen Blick und die Röte in ihren Wangen wurde kräftiger. Sie lächelte verlegen und nickte auf seinen Versuch, Smalltalk zu betreiben. "Ja. Wie weit ist das Meer von eurem Anwesen entfernt?", ging sie auf diesen Versuch ein und hatte das Gefühl, das er gezwungen klang. Sie blickte auf ihre Hände, die er ineinander verflochten hatte und unterdrückte das Seufzen. Seine Frage brachte sie in leichte Bedrängnis und sie schüttelte leicht den Kopf. "Das Haus meiner Großeltern läge da hinten", sie deutete in die ungefähre Richtung, die hinter ihnen lag, "ich fliege mit meinem Dad immer mal wieder her und natürlich habe ich Freunde in der Stadt, aber...dieser Strand gehört zu meinen persönlichen Lieblingsplätzen, also komme ich normalerweise allein her."

Nate lächelte schwach. Joyce ging auf den Smalltalk ein, egal wie mies der Versuch von ihm auch gewesen war. "Etwa dreihundert Kilometer. Wir leben in der Nähe von Bukarest in einem alten Schloss ... Aber das weißt du ja schon. Du warst in der Bibliothek." Als er jetzt zu Joyce schaute, bemerkte er allerdings, dass sie ihn nicht ansah, sondern ihre Hände betrachtete. Für wie seltsam musste sie ihn wohl halten, dass er Händchen haltend mit ihr über den Strand spazierte, obwohl er sie abgewiesen hatte?
"Allein?", fragte Nate verwundert nach und nun war er es, der verlegen auf das Meer schaute. "Warum ... hast du mich dann ..." Der Gryffindor schloss den Mund wieder, als ihm bewusst wurde, worauf eine Antwort auf diese Frage hinauslaufen könnte. "Entschuldige, das war dämlich."

Wieder einmal stellte sie sich die Frage, was er da eigentlich mit ihr spielte. Dennoch lauschte sie aufmerksam seinen Worten und nickte leicht. "Ja, weiß ich. Ich war noch nie in Rumänien, auch, wenn das Land sehr schön sein soll", meinte sie und spürte ein Kribbeln, das von ihrer Hand kurz durch ihren Körper jagte, als er sie fragte, warum sie ihn eigentlich mit hierher genommen hatte. Leicht schüttelte sie den Kopf und blieb stehen, hielt ihn fest, damit auch er stehen blieb und sie ihm in die Augen sehen konnte. "Auch auf die Gefahr hin, wieder abgewiesen zu werden: Ich habe dich mit hierher genommen, weil ich deine Bibliothek sehen durfte. Einen deiner persönlichsten Plätze. Du versuchst, ein Eigenbrötlerdasein zu wahren und stößt mich öfter vor den Kopf, als du auf mich eingehst. Trotzdem war es mir gerade deswegen wichtig, dir einen meiner Lieblingsplätze zu zeigen, das Vertrauen zu erwidern, das du in mich gesetzt hast, als du mir die Bibliothek gezeigt hast. Weil ich dich mag und du mich anziehst, wenn auch vielleicht gegen deinen Willen." Sie hielt diese Anspannung nicht mehr aus und setzte deswegen alles auf eine Karte.

Nate nickte. "Das Land ist sehr schön. Zumindest empfinde ich das so, aber wahrscheinlich mag jeder seine Heimat." Am liebsten hätte er Joyce zu sich eingeladen, aber dann hätte er sie auch gleich zu Denisa schleppen und sie einander persönlich vorstellen können. Also war das keine Option.
Joyce ignorierte seine begonnene Frage leider nicht. Ganz im Gegenteil, sie blieb stehen und zwang ihn so, ebenfalls stehenzubleiben und sie anzuschauen. Nates Herz klopfte bei Joyce' Worten schneller und sein Griff um ihre Hand verstärkte sich. Sie mochte ihn tatäschlich. Warum auch immer das so war. Joyce hatte Recht, er hatte sie die meiste Zeit nur abgewiesen und trotzdem stand sie hier und gestand ihm, dass sie ihn mochte. Nate wusste, dass er sie ablehnen musste, aber es fühlte sich so falsch an!
"Ich kann nicht ... Verdammt Joyce!" Frustriert riss Nate seine Hand los und fuhr mit beiden Händen durch seine Haare, während er Joyce den Rücken zudrehte und ein paar Schritte weg von ihr machte, ohne sich um seine Hosen zu kümmern, die dadurch nass wurden. "Weißt du eigentlich, wie schwer du es mir machst? Glaubst du es macht Spaß immer allein zu sein oder nicht so auf dich reagieren zu können, wie ich es gern will? Es tut mir leid, aber ... es wäre einfach nicht gut für dich, wenn ich dich näher an mich heranlasse."

Sie ignorierte, was er über Rumänien sagte, doch der Rest tat weh. Verdammt, warum tat das so weh? Er riss ihre Hand aus seiner und sie presste ihre Lippen aufeinander, wandte den Blick ab und schlang die Arme um ihren Körper. Er drehte ihr ohnehin den Rücken zu, er bemerkte sie also nicht. "Nein, weiß ich nicht. Aber du sprichst ja auch nicht darüber, sprichst nicht über dich, sprichst nicht darüber, warum du meinst, mich immer abweisen zu müssen...also nein, weiß ich nicht." Sie schluckte, warf ihm noch einen Blick zu und drehte sich um. "Normalerweise entscheide ich auch selbst, was gut für mich ist und was nicht." Nur er nahm ihr diese Entscheidung ja ohnehin gern ab. Und diesmal tat es weh, so vor den Kopf gestoßen zu werden, es schmerzte mehr als die zwanzig Male zuvor. Sie verließ das Wasser, sammelte ihre Ballerinas ein und ging auf den Weg zu, der wieder die Klippen hinauf führte.

Nate hatte die Augen geschlossen und hörte Joyce zu. Sie hatte ja Recht. Was erwartete er von ihr, wenn sie von nichts wusste? Nate seufzte und drehte sich um, um sich zu entschuldigen, aber Joyce war schon gar nicht mehr da. Nate schaute sich suchend um und entdeckte sie am Strand, auf dem Weg zur Klippe. Sie weggehen zu sehen, versetzte ihm einen Stich, aber war es nicht das, was er wollte? Joyce wäre so immerhin in Sicherheit. Aber Nate wollte sie nicht gehen lassen. Sie war verletzt und das hatte sie nicht verdient. Sollte es denn immer so sein? Seine Mum, Joyce ... Sollte Nate den Menschen, die ihm wichtig waren, immer nur dabei zusehen, wie sie gingen?
Nate fluchte leise und rannte aus dem Wasser. Sie wollte selbst entscheiden? Schön, dafür konnte er sorgen. Der Gryffindor holte Joyce nach ein paar Metern ein und packte ihr Handgelenk. "Warte!", sagte er entschieden und drehte sie zu sich um. "Bitte warte!"

Nur widerwillig ließ Joyce sich umdrehen. Der Meereswind zerzauste ihre Haare und wehte die Locken ins Gesicht der Dunkelhaarigen. Ihre Augen brannten. "Worauf? Um noch einen auf den Deckel zu kriegen? Um noch mal abgewiesen zu werden?" Sie war verletzt und allmählich hatte sie keine Lust mehr, verletzt zu werden. Nicht, wenn dieser verfluchte Kerl ihr immer wichtiger wurde. Trotzdem wehrte sie sich nicht gegen seinen Griff und blieb stehen, auch, wenn es offenbar zu einer schlechten Angewohnheit wurde, seinem Blick auszuweichen. Aber er sollte das verräterische Glitzern in ihren Augen nicht bemerken.

Nate schüttelte den Kopf und lockerte seinen Griff um Joyce etwas, zog sie aber gleichzeitig näher. "Nein, ich ... wills dir nur erklären. Und dich entscheiden lassen. Das willst du doch, oder?", fragte er zögernd nach. Joyce schaute ihn nicht an, was Nate gerade absolut nicht gebrauchen konnte. Er war so schon unsicher genug. Vorsichtig hob er seine freie Hand und legte seine Finger sanft unter ihr Kinn, um es anzuheben. "Mei... meine Familie ... Wir haben eine ... bewegte Vergangenheit. Und die verfolgt uns noch. Ich will da niemanden mit reinziehen, denn das würde gefährlich werden und ... " Nate atmete tief durch und schaute Joyce eindringlich in die Augen. "Ich will dich nicht in Gefahr bringen. Ich mag dich, sogar sehr, und ich würde mir nicht verzeihen, wenn dir wegen mir etwas zustößt."

Sie ließ sich näher ziehen und stützte sich erneut mit der freien Hand an seiner Schulter ab, ihre Ballerinas landeten im Sand, aber es störte sie nicht. Natürlich wollte sie selbst entscheiden, aber... "Ja, aber ich will dich zu nichts zwingen", murmelte sie leise und spürte dann wie er ihr Kinn anhob. Vergeblich versuchte sie, die Tränen in ihren Augen weg zu blinzeln.
Doch auf seine Argumente hin schüttelte sie den Kopf. "Wir haben Krieg, auch, wenn wir vielleicht unbedingt direkt davon betroffen sind. Ich hab gesehen, wie meine Mum aus einem brennenden Gebäude geflohen ist. Und ich bin eine verdammte Gryffindor. Deine Vergangenheit ist eigentlich nichts, was mich abschreckt." Ihr Herz machte einen Hüpfer, als er ihr sagte, dass er sie sehr mochte. Sie verstärkte den Griff um seine Schulter leicht und sah ihm trotz der in ihren Augen glitzernden Tränen in seine Augen. "Mir passiert nichts. Es sei denn, du stößt mich weiter vor den Kopf."

Nate biss auf seine Unterlippe, als er Joyce' Tränen sah. Das hatte er bestimmt nicht gewollt. Nur konnte er etwas daran ändern? Zu ihren Worten sagte Nate lieber nichts. Sie hatte es vielleicht nicht gewollt, aber Nate fühlte sich gerade durchaus dazu gezwungen, etwas zu tun. Nicht unbedingt von ihr, aber von sich selbst, weil er sie nicht einfach gehen lassen wollte.
Seufzend schüttelte Nate den Kopf, ließ Joyce' Kinn los und streichelte leicht über ihre Wange. "Meine Vergangenheit ist nichts, was man mit Mut bewältigen kann", erwiderte er leise. "Und glaub mir, dir kann etwas passieren und ..." Nate stockte, als er Joyce' Worte hörte. Außer er stieß sie vor den Kopf? "Joyce ..." Der Gryffindor schluckte und streichelte mit seinem Daumen weiter vorsichtig über Joyce' Haut. "Wie meinst du das?"

Joyce ließ ihn hastig los und wischte mit der freien Hand über ihre Augen, kämpfte damit, ihre Tränen zu verbergen. "Entschuldige", murmelte sie und spürte dann, wie seine Finger über ihre Haut strichen. Sie neigte leicht den Kopf, lehnte ihre Wange minimal in die Berührung hinein. "Was sollte mir denn passieren? Es ist vergangen, oder nicht?", hakte sie leicht verwirrt nach. Seine nächste Frage ließ sie seufzen und sie senkte den Blick. Ihre Wangen wurden heiß und tauchten sich wieder in eine tiefe Schamesröte, noch bevor sie etwas gesagt hatte. "Ich meine...dass du mich verletzt, wenn du mich vor den Kopf stößt und von dir weist, nur um im nächsten Moment wieder das Gegenteil zu machen und meine Nähe zu suchen. Denn ich bin nicht geeignet für Spielchen." Joyce schluckte und versuchte den Kloß in ihrem Hals zu vertreiben. Warum hatte sie das Gefühl, hier einen Seelenstriptease hinzulegen?